Liebe
kontra Macht und Gold:
Im dritten Jahr zeigt die Studiobühne im Steingraeber-Palais ihre
Interpretation
von Wagners „Ring“ als Sprechtheater. Regisseur Uwe Hoppe
erklärte Kulturredakteurin Christina Knorz,
was in diesem Jahr neu sein wird
und was beibehalten werden muss. |
INTERVIEW
2009 (Nordbayerischer Kurier 16.07.2009)
Die große Gier
„Her den Ring“ hat Wiederaufnahme-Premiere
Frage: Es können wenige Leute von sich behaupten, sie hätten
Wagners „Ring“ verstanden. Ihnen können wir das als Regisseur
unterstellen. Da Sie den „Ring“ schon auf zweieinhalb Stunden
Spielzeit kürzen – fassen Sie ihn uns doch zusammen.
Uwe Hoppe: Es ist mein dritter
„Ring“ in Bayreuth. Mein fünfter „Ring“ überhaupt.
Richtig verstanden hat man das Ding glaube ich nie. Es ist ein Weltthema,
das man nicht erschöpfen kann. Es geht bei Wagner um den Kampf zwischen
Liebe, Menschlichkeit und Materialismus. Das ist in Wagners Schriften
dezidiert ausgeführt, das wollte er erzählen und erzählt
es auch, denke ich, sehr klar. Dass er ein paar Sachen später zurückgenommen
hat, weil er dachte es sei zu deutlich, ändert nichts an der Grundhaltung.
Da wird geraubt und gemordet, ein Raub zieht den anderen nach sich. Alle
Versuche, das zu ändern, scheitern, weil die Menschen nicht schlauer
werden. Am Schluss geht die Welt unter. Zumindest die Welt der Mächtigen.
Ob es danach eine andere Welt geben wird, bleibt bei Wagner dahin gestellt.
In unserer Interpretation fangen die Schauspieler wieder von vorne an,
spielen es noch einmal und versuchen herauszufinden, was schief gegangen
ist. Sie merken aber: Wir kriegen es nicht raus. Wir ändern uns nicht.
Wir sind gierig, wir verraten unsere Liebsten, und wenn es um Geld geht,
sind wir immer wieder verführbar.
Frage: Verfallen Sie damit nicht dem Pessimismus?
Uwe Hoppe: Das ist so eine Sache. Im ersten Jahr war es ganz pessimistisch
und es ging ganz böse aus. Man ging raus und dachte sich: Was ist
bloß mit uns los? Im letzten Jahr haben wir dann eine Haltung dazu
gefunden und gesagt: Man muss es heiter nehmen, den Moment leben, vielleicht
findet man dadurch die Kraft, irgendetwas zu ändern. Diesen Aspekt
arbeiten wir in diesem Jahr noch stärker heraus.
Frage: In wiefern?
Uwe Hoppe: Wir sind noch
näher an die Figuren herangegangen und fragen uns: Begreifen die,
was sie machen? Die Figuren wachsen dadurch enorm in die Tiefe und in
die Schrillheit. Die Bandbreite von ernster Interpretation bis zu hohem
Blödsinn wird immer größer, je länger wir dran arbeiten.
Es macht plötzlich viel mehr Spaß, Quatsch zu machen. Der Hauptunterschied
zum letzten Jahr ist sicher, dass es so enorm heiter ausgeht. Darüber
bin ich sehr glücklich nach all dem Fatalismus. Man ist als Zuschauer
vielleicht irritiert, dass es plötzlich lustig wird, dass die Schauspieler
selbst anfangen zu lachen, dass sie sich beobachten und blöde Kommentare
machen. Wenn sie wieder anfangen sollen, alles noch mal zu spielen, sagen
sie: Nein, wir hören auf.
Frage: Wie kam es zu diesem Wandel?
Uwe Hoppe: Der ist aus der
Auseinandersetzung mit der Weltwirtschaftskrise entstanden. Wir merken,
jammern bringt gar nichts. Richtig eingreifen kann man auch nicht –
das ist eine fatale Ähnlichkeit der Zeit Wagners. Es hilft nur, zu
sagen: So ist und jetzt machen wir etwas, und zwar heiter!
Frage: Worin sehen Sie die Parallelen?
Uwe Hoppe: Die Uridee zum
„Ring“ ist in der 1848er-Revolution entstanden. Das war der
Kampf um die deutsche Einheit, um eine andere wirtschaftliche Situation
und gegen Kapital. Seitdem haben sich die Verhältnisse mehrfach umgekehrt,
der Sozialismus ist zusammengebrochen. Aber im Moment erleben wir, dass
der strenge Kapitalismus auch nicht die Lösung ist. Wir sind immer
noch auf der Suche nach der richtigen Form. Wir sind an einem Punkt, an
dem wir uns fragen: Wohin soll es gehen? Verbissenheit ist jedoch das
Falsche dabei. Es geht um eine innere Haltung. Am besten heiter und leicht. |