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Der Auseinandersetzung mit dem Werk
des Bayreuther Meisters Richard Wagner ist der Spielplan auf
dem Hof-Theater im Steingraeber-Palais ausschließlich vorbehalten.
Über das, was das denn nun eigentlich sei, was man da im Steingraeberschen
Hof zu sehen bekommt, herrscht von den Anfängen im Jahr 1982 bis
zum heutigen Tage eine große Unsicherheit. Bei vielen Zuschauern,
seien sie nun Wagnerianer, Antiwagnerianer, professionelle Kritiker, Theaterwissenschaftler,
Theatermacher oder einfach Menschen, die nur ein ihren Spaß und
gute Theaterunterhaltung suchen, wirft sich nach wie vor die Frage auf,
ist das, was sie dort zu sehen bekommen Wagner-Parodie, Persiflage, Satire
oder freie Adaption. Die Uneinigkeit über die Definition einer offensichtlich
speziellen Theaterform hat – Gott sei Dank – bislang noch niemanden
daran gehindert, sich das Ergebnis anzusehen, sich darüber zu ärgern,
zu amüsieren, sich zum Nachdenken anregen oder sich vor allem einfach
unterhalten zu lassen.
Schätzen Wagnergegner vor allem den scheinbar respektlosen Umgang
mit dem Werk des Meisters, bestätigen die Kritiker im In- und Ausland
vor allem den Kenntnisreichtum des Werkes und die oft verblüffend
neue Interpretation, die für leicht übertragbar auf eine Inszenierung
der Originale gehalten wird. Und solche Umsetzungen kann man denn auch
an vielen Opernhäusern der ganzen Welt sehen, nachdem sie im Steingraeber-Hoftheater
ans Bühnenlicht der Theaterwelt kamen. Der ganz normale Wagnerianer
kann sich erfreuen an vielen Zitaten, an lustigen Verfremdungen und Modernisierungen,
kann sich aber auch getrost angeekelt abwenden vor der direkten Ernstnahme
des verborgenen Gehaltes der Opern Richard Wagners. Tatsächlich entzieht
sich das, was der Autor als Adaptionen bezeichnet einer eindeutigen Zuordnung
zu einer Kategorie. Das ist beabsichtigt. Unterhaltend Widerspruch erregen!
ist sein erklärtes Ziel. Sicherlich aber steht hinter allem Parodieren
und Persiflieren eine große Liebe zum Theater und zu den Musikdramen
des Bayreuther Meisters.
Die in der zurückliegenden Dekade gezeigten Stücke spiegeln
eine ganze Bandbreite theatralischer Möglichkeiten beim Umgang mit
dem Werk Wagners. Zu Beginn des hier zu behandelnden zeitlichen Abschnittes,
1990, war noch eine Saison lang das sehr den Formen von Volkstheater sich
annähernde Stück „Thannreuther, Meistersinger“
zu sehen. Die Meistersingergesellschaft sprach oberfränkische Mundart,
Landgraf Herrman von Thüringen war Moderator einer Fernsehsendung
und sprach thüringisch-sächsisch. Und auch die durchaus vorhandenen
tragischen Aspekte des Stückes waren mit leichter Überzeichnung
und ironischem Augenzwinkern auf die Ebene des Humorvollen gehoben. Der
1991 uraufgeführte „Tristan, der fliehende Irrländer
und Isolde“ folgte in seiner dramaturgischen Aufbereitung
den vorausgegangen Stücken in der Verknüpfung der Handlungsstränge,
setzte aber ganz schroff nebeneinander die sparsamen komischen Elemente
der Holländer-Episoden und eine hochpoetische Bildersprache der ins
tragisch-bittere spielende Tristan-Handlung. Man konnte noch lachen, wenn
man unbedingt wollte – bis einem das Lachen im Halse stecken blieb. „Der
Ring der Niederungen“ 1994, Hoppes dritte Ring-Adaption,
verlegte die Wagnersche Weltuntergangsvision zunächst in ein konkretes
Hier und Jetzt mit der Konsequenz, dass ab dem Teil „Die Walküre“
das Stück in einer nicht allzu fernen Zukunft handelte, die den Rückfall
unserer Zivilisation in eine urzeitliche Barbarei behauptete. Das Schlussbild,
in welchem die Darsteller einen zerborstenen Spiegel wieder zusammenfügten,
in dem sich dann die Zuschauer zerstückt wiedersahen, war Anlass
zu heftigen Diskussionen: Darf eine Parodie sich so zwingend und ernsthaft
den Fragen der Zeit stellen, und darf sie konkretere Aussagen treffen
als Inszenierungen des Originals?
Nach dieser zweiten Bayreuther Ring-Version der Studiobühne schien
sich eine weitere Adaptierung von Wagners Werk erschöpft zu haben.
Und folgerichtig war 1997 der „Parzival “
auch eine Bühnenfassung des mittelalterlichen Epos’ von Wolfram
von Eschenbach, der auch Vorlage für Wagners „Parsifal“
war. Das Stück folgte der Dramaturgie des Romans, zwar in verkürzender
Perspektive, war aber doch dadurch von Wagners „Parsifal“
sehr weit entfernt. Die Überschneidungen mit dem Bayreuther Bühnenweihfestspiel
waren aber im Kontext des Wolframschen „Parzival“ so signifikant,
dass sie beim Wagnerianer blankes Entsetzen und schroffeste Ablehnung
hervorrief, beim Wagnerkenner dagegen bis an Hysterie grenzendes Gelächter.
Gerade die Resonanz auf den Hoppeschen „Parzival“ machte deutlich,
dass das Repertoire der Studiobühne auf dem Hof-Theater im Steingraeber-Palais
sich nur bedingt mit dem Umfeld und den Ursprüngen Wagnerscher Werke
beschäftigen kann: eine zu große vermeintliche Denunziation
des sanktionierten Bayreuther-Werke-Kanons würde denn die Zuschauerakzeptanz
deutlich schwinden lassen. Das musste beim Erarbeiten neuer Stücke
eine Rückkehr zum Gedanken an Volkstheaterelemete zur Folge haben.
Und so entstand schon 1999 „Hojotoho – Der gantze Wagner
an einem Abend“, in welchem wirklich alle bayreuthwürdigen
Werke Wagners als Theater auf dem Theater nachgespielt werden, in der
kompletten Dramaturgie und nahezu ohne Elemente von Show und Entertainment,
welches sehr verwirrend wirkt und lustig, überaus lustig. Der geneigte
Leser und interessierte Theaterbesucher indes kann sicher sein, dass dies
nicht das letzte Wort ist, das die Studiobühnenmannschaft zum Thema
Wagner gesagt hat.
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